BASTA - Alternativer Studierendenausschuß der Liste Regenbogen

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Die Würde des Menschen ist unantastbar*
* Ausnahmen regelt das Asylbewerberleistungsgesetz
Die Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 1998 erregte großes öffentliches Aufsehen. Von der Abschaffung eines Grundrechtes war die Rede und besorgte KommentatorInnen machten sich Gedanken über den Zustand „unserer Demokratie“. Der Große Lauschangriff war es, der so viele Men-schen zum Nachdenken angeregt hatte. In derselben Sitzung behandelte der Bundesrat aber auch noch andere Themen. So stimmte er mit großer Mehrheit (der CDU/CSU-regierten Bundesländer und der Länder mit SPD-Alleinregierung) einem Gesetzesentwurf zu, der die Einschränkung von Sozialleistungen für Flüchtlinge beinhaltete, aber noch der Zustimmung durch den Bundestag bedurfte. 

Während vor der erwähnten Sitzung kaum etwas über das Vorhaben bekannt war, wurde seitdem unter Be-zeichnungen wie „Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes“ und „Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes“ in den Medien kontrovers darüber berichtet.  

Der Gesetzesentwurf kam auf Initiative der Bundesländer Berlin, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern zustande. Er sah vor, einem Großteil der AsylbewerberInnen und Bürgerkriegsflüchtlinge (ca. 250.000 Flüchtlinge wären betroffen gewesen) die Sozialleistungen „auf ein Minimum“ zu reduzieren. Worin dieses Minimum bestehen soll, ist noch unklar.  
Am 25.6. wurde eine entschärfte Fassung der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom Bundestag beschlossen. Nachdem SPD und FDP sich mit ihrer Forderung durchgesetzt hatten, geduldete Bürgerkriegsflücht-linge aus Bosnien aus der Regelung herauszunehmen, kam das Gesetz mit der Zustimmung von CDU/CSU, FDP und großen Teilen der SPD zustande. Von den Leistungskürzungen sind jetzt Flüchtlinge betroffen, die angeblich mit dem Ziel nach Deutschland gereist sind, Sozialhilfe zu erhalten und z. B. Flüchtlinge, die ihre Abschiebung verhindern oder verzögern, indem sie ihre Pässe wegwerfen. 

In den Medien wurde dies überwiegend positiv aufgenommen. Grund zur Entwarnung besteht aber keines-falls. Schließlich ist es jetzt möglich, Flüchtlingen unter fadenscheinigen Gründen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben zu versagen. 

Klar sind bis jetzt vor allem zwei Auswirkungen des Gesetzes: Zum einen wird es zu einer großen Verunsicherung bei den Flüchtlingen führen, die überhaupt nicht mehr wissen werden, worauf sie gesetzlich Anspruch haben. Zum anderen werden die von den Kürzungen betroffenen, ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, da schon die Leistungen nach dem alten Asylbewerberleistungsgesetz deutlich unter dem Sozialhilfeniveau liegen. Da es für die meisten Flüchtlinge so gut wie unmöglich ist, eine Arbeit zu bekommen, werden sie in Illegalität und Kriminalität gezwungen. 

Dies war aber mit der Gesetzesinitiative des Bundesrates durchaus beabsichtigt. Wenn man die Flüchtlinge schon nicht einfach so rausschmeißen kann, weil das Asylverfahren noch nicht beendet ist oder weil eine Abschiebung praktisch einfach nicht möglich ist, dann sollen sie wenigstens durch Aushungern zur Ausreise gezwungen werden. Niedersachsens Innenminister Glogowski im Februar: Ohne eine Anspruchseinschränkung fehle „jeder Anreiz, Deutschland freiwillig zu verlassen“. Aber warum sollen die Flüchtlinge Deutschland „freiwillig verlassen“? Auch dafür hat sich die Große Koalition der Aushun-gerer eine passende Antwort zurechtgelegt. Sie behaupten, die Verschärfung richte sich gegen die illegale Einwanderung und gegen den miß-bräuchlichen Bezug von Sozialleistungen. Dafür definieren sie die von der Kürzung betroffenen zu Quasi-Illegalen um, was sie aber nicht sind, da sie mindestens eine Duldung besit-zen. Deswegen wird behauptet, sie wären nur wegen der Sozialleistungen eingereist und/oder könnten freiwillig und problemlos ausreisen. Wer das nicht tut, habe eben seinen Anspruch auf fast alle Sozialleistungen verloren. 
Der Gesetzesentwurf wurde – nicht ohne Grund – so lange wie möglich geheimgehalten. Nach seinem Bekanntwerden protestiert u. a. sämtliche Wohlfahrtsverbände und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufs schärfste dagegen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesärztekammer bezeichnete kürzlich die geplanten Einschränkungen als „schweren Verstoß gegen die Gebote ärztlicher Ethik und die Menschlichkeit“. Die Ärzte würden gezwungen, das Gebot der Gleichbehandlung von Patienten zu mißachten. Diesem Protest ist es zu verdanken, daß es im April zu einer Anhörung im Bundestag kam, bei der sich sämtliche Fachleute gegen die AsylbLG-Novelle aussprachen. Trotzdem wurde das Gesetz im Bundestag verabschiedet. 
Ein weiterer Aspekt des neuen Asylbewerberleistungsgesetzes und der Debatte darum ist ebenfalls äußerst bedenklich. So erfreulich es ist, daß die bosnischen Flüchtlinge nicht mehr in der Regelung enthalten sind, so bedenklich ist eine Unterscheidung, die in die Debatte eingeführt wurde, nämlich die Differenzierung in „gute“ und „böse“ Flüchtlinge. 

Die „Guten“ sind die, die einem (konkret der SPD und der FDP) leid tun, wie z. B. die BosnierInnen. Die „Bösen“ sind die anderen, die auf jeden Fall aus niederen Beweggründen in die Bundesrepublik gekommen sind. So ungefähr sah die Position der SPD und der FDP in der Debatte aus, obwohl sich die Verfolgungsschicksale und Fluchtgründe der „guten“ und der „bösen“ Flüchtlinge kaum voneinan-der unterscheiden. 

Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch, daß Glogowski da nicht so wählerisch war. Er wollte das Gesetz um jeden Preis durchdrücken und profiliert sich in der Flüchtlingspolitik immer mehr als Hardliner. 

Von der letzte Woche verabschiedeten Regelung sind ca. 30.000 Flüchtlinge betroffen. Dies ist mit Sicherheit aber nur ein erster Schritt, dem weitere folgen werden, verkauft als Maßnahmen gegen „illegale Ausländer“. Kurzzeitig war sogar im Gespräch, alle Flüchtlinge unter die Regelung fallen zu lassen, die illegal eingereist sind. Bei einer strengen Interpretation dieser Formulierung wären das nahe-zu 100% aller Einreisenden, da so gut wie kein Flüchtling legal einreisen kann. Diese Klausel wurde aber (vorerst?) nicht aufgenommen. 
Zu der Frage, was die von der neuen Regelung Betroffenen bekommen sollen, verkündete Glogowski folgendes: Sie sollten „künftig Essen und Trinken und ärztliche Versorgung aber nicht mehr“ erhalten. (taz vom 16.6.) Daß es bei der Gesetzesänderung nur um die Abschreckung und das Rausekeln von Flüchtlingen geht, nicht aber um den „Mißbrauch von Sozialleistungen“, wird im selben taz-Artikel deutlich. Dort heißt es wört-lich: „Beamte aus dem Innenministerium in Hannover befürchten nach der Gesetzesänderung eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und einen erheb-lichen Verwaltungsaufwand, dessen Kosten die Einsparungen am Lebensunterhalt der Flüchtlinge bei weitem übersteigen.“ 

Initiative gegen Rassismus 
 


Technische Ausführung: Thomas Richter       Letzte Änderung : Montag, 20. Juli 1998